Achtsame Kommunikation mit Kindern

Authentisch, einfühlsam & respektvoll

Pro Tag kommen uns ungefähr 16.000 Wörter über die Lippen. Und entgegen vieler Vorurteile sollen Männer übrigens genauso viel sprechen wie Frauen. Für mich ist das typabhängig. Da gibt es die stillen, wortkargen Frauen und die extrovertierten, quasselnden Männer und andersherum. Aber ist ja auch egal. 😉 Was ich eigentlich sagen will, ist, dass Kommunikation eine große Bedeutung in unserem Alltag hat. Und besonders achten sollten wir auf unsere Kommunikation mit unseren Kindern. Denn wie wir mit ihnen sprechen und wie wir ihnen zuhören hat eine enorme Auswirkung auf unsere Beziehung zu ihnen und prägt maßgeblich ihr Selbstbild, ihr Selbstgefühl und ihren Selbstwert. Deshalb ist es so wichtig, dass wir achtsam mit ihnen kommunizieren.

Wie wir mit unseren Kindern sprechen hat enorme Auswirkung auf unsere Beziehung zu ihnen und prägt maßgeblich ihr Selbstbild, ihr Selbstgefühl und ihren Selbstwert.

Zudem können wir mit achtsamer Kommunikation Konfliktsituationen stressfreier lösen, insbesondere dann, wenn wir dabei gleichzeitig noch die Hirnentwicklung unserer Kinder beachten. Aber dazu gleich noch mehr.

2 gute Gründe also, sich näher mit achtsamer Kommunikation zu beschäftigen!

Was bedeutet achtsame Kommunikation mit Kindern?

Aber was bitteschön ist denn achtsame Kommunikation mit Kindern? Ist eigentlich klar, oder? Mit unseren Kindern achtsam reden und achtsam zuhören. 😉 Und was bedeutet „achtsam“? Jon Kabat-Zinn, einer der bekanntesten Achtsamkeitslehrer, erklärt Achtsamkeit als eine Form der Aufmerksamkeit, die absichtsvoll ist, auf den gegenwärtigen Moment gerichtet ist (statt auf die Vergangenheit oder die Zukunft), und nicht wertend ist. Also wütend zu sagen „Wenn du dein Zimmer nicht aufräumst, dann gibt es keine Gute-Nacht Geschichte“ oder „Immer nervst du, sei doch bitte mal ruhig“ zählt definitiv nicht zur achtsamen Kommunikation mit Kindern 😉

Der erste Schritt für uns Eltern achtsam mit unseren Kinder zu kommunizieren ist, innezuhalten, im Hier und Jetzt zu sein und sich von seinen eigenen Gefühlen nicht einnehmen zu lassen. Gar nicht so leicht im Alltag mit Kindern 😉

Achtsame Kommunikation im normalen Familienalltag

In nicht konfliktbehafteten Situationen, wenn unsere Kinder uns z.B. etwas erzählen oder zeigen, können wir die achtsame Kommunikation sehr gut üben. Ich richte die volle Aufmerksamkeit auf mein Kind, schaue ihm direkt in die Augen (bei kleinen Kindern empfiehlt es sich dafür, in die Knie zu gehen, um auf Augenhöhe zu sein), ignoriere Telefon und Smartphone, denke nicht, was noch alles zu tun ist und höre einfach zu oder schaue mir das Bild oder das Bauwerk aufmerksam an. So zeige ich wirkliches Interesse am Tun meines Kindes, ich sehe die Welt mit den Augen meines Kindes und kann mir sicher sein, dass sich mein Kind von mir gefühlt, gesehen und geliebt fühlt.

Zeige ich wirkliches Interesse am Tun meines Kindes, fühlt mein Kind sich von mir gefühlt, gesehen und geliebt.

Kennst du das? Ein Kind malt ein Bild, zeigt es der Mama und die sagt nur „Das hast du aber schön gemalt“.  Meist schaut es die Mama gar nicht genau an, weil sie gerade beschäftigt ist und nur mit einem Ohr zuhört. Eine Floskel also, ohne wirkliches Interesse gezeigt zu haben. Und doch geschieht das uns Eltern im stressigen Familienalltag immer wieder.

Und was genau ist denn nun das “Problem” an dieser Floskel? Erstens fühlt sich das Kind nicht gesehen (wie oben beschrieben), zweitens ist diese Floskel ein Lob (und Loben macht unser Kinder süchtig und setzt sie langfristig unter Druck – mehr dazu findest Du in diesem Artikel) und drittens ist die Floskel eine Bewertung. Und eine Bewertung ist immer subjektiv, wird aber hier nicht subjektiv ausgedrückt. Das kann dein Kind ganz schön in eine Zwickmühle bringen, denn stell Dir mal vor, Dein Kind selbst findet sein Bild gar nicht schön. Was dann? Wer hat nun Recht? Bei solchen kreativen Dingen gibt es aber doch gar kein richtig oder falsch…

Und ich höre schon manch Widerstand: Darf ich meinem Kind nicht sagen, dass es etwas schön gemacht hat? Doch, natürlich darfst du das! Wenn es aus deinem Herzen kommt und am besten verpackt in eine „Ich-Botschaft“. Also nicht „Das hast DU aber schön gemalt“, sondern „ICH finde das Bild sehr schön!“ oder „ICH finde, das Bild ist sehr farbenfroh“.

Achtsame Kommunikation in herausfordernden Familiensituationen

Ich-Botschaften können übrigens auch in typischen herausfordernden Familiensituationen sehr hilfreich sein. Beispiel: Wie oft wünschen wir Eltern uns, dass unsere Kinder auch unsere Bedürfnisse anerkennen. Wir wünschen uns, dass sie ruhig sind, wenn wir mit unserer besten Freundin telefonieren, dass sie ihre Spielsachen vom Wohnzimmerteppich wegräumen und dass sie ihre übertragenen Haushaltsaufgaben wie z.B. Spülmaschine ausräumen erfüllen. Und wenn sie das dann nicht machen, steigt in uns die Wut hoch und wir sprechen in DU-Botschaften statt in ICH-Botschaften: „Geh weg bitte, DU nervst!“, „DU nimmst auf andere keine Rücksicht und lässt immer deine Spielsachen rumliegen“, „DU bist ein Faulpelz”.

Diese DU-Botschaften sind fast immer herabsetzend. Sie beschimpfen, verhöhnen, beschämen, belehren, kritisieren, beschuldigen das Kind. Und was kommt beim Kind an? Wie fühlt sich das Kind? Es fühlt sich schuldbewusst und voller Reue, es fühlt sich ungerecht behandelt, es fühlt sich ungeliebt. Es wird lernen schlecht, böse, faul, doof zu sein. Und so zerstören  wir Eltern Tag für Tag durch diese herabsetzenden DU-Botschaften die Selbstachtung unserer Kinder – unbewusst, ungewollt!

ICH-Botschaften sind viel wirksamer, um ein für uns Eltern unannehmbares Verhalten unserer Kinder zu „beeinflussen“. Sie sind weniger provokativ und somit stoßen wir bei unseren Kindern auf weniger Widerstand. Meist sind solche ICH-Botschaften wie folgt aufgebaut: Als erstes beschreibt man seine Beobachtung nicht wertend (ganz wichtig!) („Auf dem Wohnzimmerboden liegen Lego-Steine“), gefolgt von seinem Gefühl, das diese Beobachtung auslöst („Das ärgert mich“). Der dritte Schritt ist die Äußerung unseres Bedürfnis („weil ich morgen früh keinen Platz für meine Yoga-Übungen habe“) und als letztes äußern wir unseren Wunsch („Ich wünsche mir, dass du die Lego-Steine noch aufräumst, bevor du ins Bett gehst“). Mehr über die ICH-Botschaften findet man auch in dem Buch „Familienkonferenz“ von Thomas Gordon oder in der Gewaltfreien Kommunikation.

Doch ICH-Botschaften zu verwenden, erfordert Mut von uns Eltern. Denn man offenbart seine innersten Gefühle, man zeigt sich verletzlich, geängstigt, entmutigt, … Man zeigt sich einfach als Mensch, der nicht unfehlbar ist und Schwächen hat. Und was sagt Jesper Juul dazu? „Kinder brauchen keine perfekten Eltern. Kinder brauchen authentische Eltern.“ Wenn wir Eltern uns als Menschen zeigen – offen und aufrichtig – dann entwickelt sich eine vertrauensvolle, authentische Beziehung zu unseren Kindern, bei der auf alle Bedürfnisse Rücksicht genommen wird. Ein schöne Vorstellung, oder?

Achtsame Kommunikation unter Berücksichtigung der kindlichen Gehirnentwicklung

Im Alltag mit unseren Kindern kann es sehr hilfreich sein, wenn wir wie beschrieben achtsam kommunizieren UND dabei gleichzeitig die Gehirnentwicklung unserer Kinder berücksichtigen. Doch wer weiß schon über die Gehirnentwicklung Bescheid? Wir Eltern wissen meist viel über die körperliche Entwicklung, also wann Kinder anfangen zu laufen, zu sprechen, wann sie ihre ersten Zähnchen bekommen und wann diese wieder ausfallen 😉 Aber über die Gehirnentwicklung wissen wir meist sehr wenig. Doch genau das könnte für uns im Alltag vor allem in schwierigen Situationen sehr hilfreich sein, damit wir von unseren Kindern nicht etwas erwarten, was sie noch gar nicht können, weil das Gehirn einfach noch nicht so weit ist. Und dann sind wir auch nicht enttäuscht oder ärgerlich – schließlich sind wir auf ein 6 Monate altes Baby auch nicht sauer, weil es noch keine Sätze mit uns sprechen kann. 😉

Über die kindliche Gehirnentwicklung Bescheid zu wissen hilft uns, keine unrealistischen Erwartungen an unsere Kinder zu haben.

Also bringen wir doch ein wenig Licht ins Dunkle 😉 Unser Gehirn besteht aus mehreren Teilen – der linken und die rechten Gehirnhälfte und der oberen und der unteren.

Die linke und rechte Gehirnhälfte

Fangen wir mal mit links und rechts an. Die linke Seite ist zuständig für die Logik, Sprache, Zahlen. Diese Seite des Gehirns wird vor allem in der Schule sehr trainiert, im Gegensatz zur rechten Gehirnhälfte, die verantwortlich ist für Kreativität, Intuition, Zusammenhänge, Ganzheitlichkeit, Bildersprache. In den ersten 3 Jahren werden Kinder allerdings vor allem von ihrer rechten Gehirnhälfte beeinflusst. Sie kennen am Anfang noch keine Wort-Sprache, Zahlen oder Logik. Wenn Kinder anfangen zu fragen: Warum?, dann wissen wir, dass so langsam aber sicher die linke Gehirnhälfte aktiviert wird 🙂

In den ersten 3 Jahren werden Kinder vor allem von ihrer rechten Gehirnhälfte beeinflusst.

Muss ich erwähnen, dass es am besten ist, wenn wir beide Gehirnhälften zusammen benutzen? Nur eine Gehirnhälfte zu benutzen ist wie wenn man nur mit einem Arm schwimmen würde 😉 Mit der sog. Integration von linker und rechter Gehirnhälfte (wenn wir also beide Hälften nutzen) finden wir die besten Lösungen und mental geht es uns auch besser. Doch diese Integration funktioniert nicht gleich von Geburt an, sondern muss erst durch Erfahrung gelernt werden. So kann es bei Kindern immer wieder vorkommen, dass sie in einer Gehirnhälfte feststecken (uns Erwachsenen passiert das übrigens auch noch).

Bei Kindern (und auch Erwachsenen) kann es immer wieder vorkommen, dass sie in einer Gehirnhälfte feststecken.

Wenn Kinder in der rechten Gehirnhälfte „hängen“, dann befinden sie sich in einer emotionalen Flut und wenn sie in der linken „hängen“, sind sie in einer emotionalen Starre. Während ältere Kinder – oft Pubertierende – auch mal in der linken Gehirnhälfte hängen, wenn sie sich zurückziehen („mir doch egal“), kennen Eltern von kleinen Kindern eigentlich nur das Festhängen in der rechten Gehirnhälfte. Das sind die Momente, in denen Kinder etwas komplett Unlogisches erzählen („Nie schreibst du mir einen Brief in der Nacht!“) oder sich vor etwas ängstigen (sei es vor dem Geist im Flur oder dass Mama sie nicht mehr vom Kindergarten abholt).

In solchen Fällen nützt es uns Eltern auch gar nichts, mit Logik oder Argumenten zu kommen („Hab ich dich schon einmal nicht vom Kindergarten abgeholt?“). Hier hilft nur eines: unsere rechte Gehirnhälfte muss sich mit der rechten Gehirnhälfte des Kindes verbinden. Und wie geht das? Durch Einfühlung: Also sich emotional mit dem Kind verbinden, seine Gefühle anerkennen. Und wenn man das geschafft hat, dann kann man versuchen, die linke Gehirnhälfte zu aktivieren und mit Logik zu kommen 🙂

Wenn ein Kind in seiner rechten Gehirnhälfte festhängt, nützt es gar nichts, mit Logik oder Argumenten zu kommen.

Der untere und obere Teil des Gehirns

Und dann gibt es noch das untere und obere Gehirn.

Das untere Gehirn (mit dem Hirnstamm und dem limbischen System) bezeichnen die Wissenschaftler als das primitive Gehirn, weil es für grundlegende Funktionen wie atmen und blinzeln, spontane Reaktionen (die 3 Fs: fight, flight, freeze) und für starke Emotionen wie Angst und Wut zuständig ist.

Das obere Gehirn hingegen ist weiter entwickelt. Hier finden komplexere Denkprozesse statt wie Empathie, kluge Entscheidungsfindung, umsichtiges Planen, Selbsterkenntnis usw.

Und auch hier ist es wieder so wie bei der linken und rechten Hälfte: das effektivste ist es für uns, wenn beide Gehirnteile miteinander arbeiten. Das unter Gehirn ist übrigens bei der Geburt schon fertig entwickelt – das obere Gehirn hingegen erst mit Mitte 20.

Das unter Gehirn ist bei der Geburt schon fertig entwickelt – das obere Gehirn hingegen erst mit Mitte 20.

Das ist gut zu wissen, denn viele Dinge, die wir von unseren Kindern erwarten wie Empathie und die Kontrolle über ihre starken Gefühle, funktionieren einfach noch nicht perfekt, weil es eine Dauer-Baustelle im oberen Gehirn gibt. Das soll keine Entschuldigung für jedes Verhalten unser Kinder sein, vielmehr soll es uns im Alltag daran erinnern, dass das Gehirn unsere Kinder einfach noch nicht so arbeitet wie unseres, und dass wir mit ihnen ein wenig Geduld haben müssen.

Und sehr hilfreich ist das Wissen über das untere und obere Gehirn, wenn es um Wutanfälle geht. Sicher kennt jeder von uns Situationen, in denen unser Kind schreiend und strampelnd auf dem Boden liegt. Bei solchen Wutanfällen ist die Verbindung zwischen dem oberen und unteren Teil des Gehirns unterbrochen. Die Kinder sind gefangen im unteren Teil des Gehirns und solange sie da drin sind, hat es wenig Sinn, irgendetwas zu ihnen zu sagen, dass sie „zur Vernunft wieder bringt“. Bei diesen Wutanfällen gilt es einfach zu schauen, dass niemand und nichts verletzt wird und selbst die Ruhe zu bewahren – denn wenn auch wir Eltern noch die Verbindung zu unserem oberen Gehirn verlieren, dann rasten wir auch noch aus 😉 Wir bleiben also einfach liebevoll bei unserem Kind und warten, bis der Sturm vorbei ist. Irgendwann wird die Verbindung zum oberen Gehirn wieder aktiviert, dann ist der Wutanfall vorbei und das Kind auch wieder ansprechbar. (> Mehr zur Praxis der Begleitung von Wutanfällen).

Durch achtsame Kommunikation das Familienleben ändern

Es lohnt sich also, mit seinen Kindern achtsam zu kommunizieren. Denn nicht nur sie profitieren von dieser Art von Kommunikation (Selbstbild, Selbstgefühl, Selbstwert), sondern auch wir Eltern. Denn neben der Möglichkeit, Konflikte harmonischer zu lösen, lernen wir uns dadurch so viel besser kennen, weil wir uns auf diese Weise darüber bewusst werden, wie wir uns gerade fühlen und welche Bedürfnisse wir selbst haben. Und wir leben unseren Kindern eine respektvolle & authentische Kommunikationsart vor, eine Fähigkeit, die für das gesamte Leben von enormer Bedeutung ist.  Mit dieser Art der Kommunikation wird sich euer Familienleben verändern! Doch nicht nur unsere Kinder sollten in den Genuss der achtsamen Kommunikation kommen – auch unser Partner / unsere Partnerin, unsere Freunde, Bekannten, ach eigentlich jeder Mensch hat diese Art der Kommunikation verdient!

Von Published On: 18. September 2018

About the Author: KIKI

Dr. Nicole Kikillus
KIKI ist die Kapitänin der Glücksknirpse. Bevor sie „in See stach“, war sie Dr.-Ingenieur für Elektrotechnik. Jetzt steht ihre Familie über allem - und die Glücksknirpse. Sie liebt den Geschmack der Freiheit - und hasst den von Ungerechtigkeit. Zusammen mit Christian hält sie das Projekt auf Kurs, spinnt ständig an neuen Ideen dafür - und setzt diese auch um, egal ob als Autorin, Interviewende, Kursleiterin, Eventmanagerin uvm. Wenn sie sich bei den Glücksknirpsen auf ein Thema festlegen müsste, wäre das wahrscheinlich das, was wir Glücksknirpse-Parenting nennen: eine bedingungslose, liebevolle und einfühlsame „Erziehung“ zu freien, entspannten, glücklichen & gesunden Menschen. Wenn Du KIKI ärgern möchtest, sage zu ihr einfach, dass Kinder Strafen brauchen - aber nimm Dich vor ihrer Reaktion in Acht 😉
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