Kinder nicht loben? Warum wir Kindern mit (zu viel) Lob keinen Gefallen tun.
Wenn du dein Kind ohne Drohen & Strafen ins Leben begleiten willst, schauen dich viele Leute schon mit großen Augen an, aber wenn du ihnen dann noch erzählst, dass du es auch noch nicht belohnst oder lobst, dann bist du für die meisten ein Außerirdischer 😉
Aber fangen wir ganz von vorne an – wie in einer wissenschaftlichen Abhandlung 😉 Es folgt die Definition:
Was ist eigentlich Lob?
Lob ist eine verbale Belohnung. Und was ist Belohnung? Belohnung geht wie folgt: „Wenn du dein Zimmer aufräumst, bekommst du ein Stück Schokolade.“
Wenn Christian zu mir sagen würde: „Wenn du die Küche aufräumst, dann bekommst du Nachtisch.“, würde ich ihn mit großen, ungläubigen Augen anschauen (als ob er ein Außerirdischer wäre 😉 ). Doch wenn es um Kinder geht, ist diese Art der Manipulation bei vielen schon alltäglich. Doch Belohnung funktioniert, genauso wie Bestrafung, nur, in Beziehungen, bei denen eine Partei mehr Macht hat als die andere. Also bei Eltern und Kindern oder bei Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Beim Lob gibst du deinem Kind dann keine materiellen Dinge als Belohnung, sondern du belohnst es mit netten Worten.
Wie wir im Alltag bewusst und unbewusst loben
Loben geht einem oft schnell über die Lippen. Macht mal ein kleines Experiment und zählt an einem Tag, wie oft ihr euer Kind lobt. Wie oft sagt ihr am Tag zu ihm „Das hast du aber gut gemacht.“ „Das hast du aber schön gemalt/gebaut“. „Toll, was du kannst“. Zum Loben zählen auch die kleinen Dinge wie „Toll“, „Super“, „Prima“ usw. Oft handelt es sich um ein beiläufiges Loben, ohne dass man sich wirklich für das Kind in dem Moment interessiert, ohne dass man wirklich geschaut hat, was das Kind gemalt hat – schnell einfach was sagen, damit das Kind wieder weiterspielt.
Und dann gibt es noch das manipulative Lob, das man einsetzt, damit man ein bestimmtes Verhalten verstärkt. Damit das Kind das nächste Mal sein Zimmer auch wieder so schön aufräumt. Doch was vermitteln wir dem Kind mit diesem Loben?
Wie kommt das Loben beim Kind an?
Wie in jeder anderen Beziehung auch kommt es vor allem darauf an, wie Worte beim Empfänger ankommen. Was löst also das Loben beim Kind aus?
Alfie Kohn hat in seinem Buch „Liebe und Eigenständigkeit“ folgende unbewusste Gedankenkette beschrieben, die das Loben auslöst.
- Eltern: „Ich finde es gut, wie Du das gemacht hast“ kann für ein Kind klingen wie
- „Ich finde dich gut, weil du das und das gemacht hast“, und das wiederum kann implizieren
- „Ich finde dich nicht gut, wenn du das und das nicht machst“. Der letzte Schritt ist, dass das Kind den Eindruck gewinnt:
- „Ich bin nicht gut, wenn ich das und das nicht mache.“
Wir signalisieren unserem Kind damit: Das was du sagst oder tust, gefällt mir. Wir verknüpfen unsere Aufmerksamkeit und unsere Zuneigung also (bewusst oder unbewusst) mit einem bestimmten Verhalten. Und damit wären wir wieder bei der bedingungslosen Liebe, die ich im Umgang mit Kindern – nein mit allen Menschen – für so wichtig halte.
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Loben macht süchtig
Und wie oft kann man sehen und erkennen, wie viele Kinder schon vom Lob der Erwachsenen abhängig sind. Sie lechzen förmlich nach Lob: „Mama hab ich das gut gemacht? Mama gefällt dir das?“ Wissenschaftlich erklären kann man diese „Sucht“, weil im Belohnungszentrum des Gehirns nach dem Lob das Glückshormon Dopamin und körpereigene Opiate und Oxytocin ausgeschüttet werden und das führt zur Entspannung und zu Glücksgefühlen.
Langfristige Folgen von Loben
Und Loben macht nicht nur süchtig, sondern es hat auch langfristige Folgen. Es führt zu Verhalten, das wir eigentlich nicht als erstrebenswert oder lobenswert erachten 😉
Eine Studie aus Toronto ergab beispielsweise, dass Kinder, die für ihre Großzügigkeit häufig gelobt werden, weniger großzügig werden. Nach jedem Lob für Teilen oder Helfen interessierten sich die Kinder weniger dafür. Sie handeln nicht mehr aus einem inneren Bedürfnis heraus, sondern das Helfen und Teilen ist nur Mittel zum Zweck, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
Eigentlich könnte man denken, dass das Loben das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl stärken. Aber genau das Gegenteil ist der Fall, wie einige Studien zeigen. Kinder, die von Anfang an gelobt werden, geraten in einen Leistungsdruck. Sie sind so abhängig von diesem Lob, dass sie sich selbst so unter Druck setzen, damit sie das für sie so wichtige Lob erhalten.
Wenn nicht loben, was dann?
Kinder wollen gesehen werden, brauchen Aufmerksamkeit und Anerkennung. Das alles ist wichtig. Was Kinder aber nicht brauchen ist eine Wertung. Und beim Loben ist eine Wertung immer inklusive.
Wenn ein Kind ruft: „Mama schau mal was ich kann!“ ist unser erster Impuls „Toll“ zu sagen. Es reicht aber einfach nur die Situation zu beschreiben: „Du kannst auf einem Bein stehen.“
Und wenn dir dein Kind das nächste Mal ein Bild zeigt, dann nimm dir mal die Zeit, es intensiv anzuschauen. Schau dir die Details an, frag dein Kind, warum es irgendetwas in einer bestimmten Farbe gemalt hat. Dieses echte Interesse gibt deinem Kind viel mehr als ein oberflächliches Lob „Toll“.
Und ja, du darfst dich auch mit deinem Kind freuen, wenn es etwas geschafft hat. Du musst nicht neutral daneben stehen und sagen: “ Ja ich sehe, wie du deine ersten Schritte machst“. Nein, du darfst jubeln und dich freuen und feiern. Zeig deinem Kind, wenn du dich von Herzen freust, wenn du stolz auf es bist. Bleibe authentisch! Gut kann man das durch die ICH-Botschaften ausdrücken.
Mir hilft es übrigens immer sehr , wenn ich die Situationen mit einem Erwachsenen vergleiche. Wenn Christian mich 20 mal am Tag loben würde, dann wäre das echt seltsam. Na klar mögen wir Erwachsene auch Lob, doch anders als die Kinder können wir das Lob richtig einordnen und wir befinden uns auch in einer gleichberechtigten Beziehung. Und zudem können wir Erwachsene genau erkennen, ob das Lob manipulativ eingesetzt wird oder von Herzen kommt.
Ich wurde als Kind gar nicht gelobt. Immer kämpfen war das Motto und das hat mich im Erwachsenenleben krank gemacht. Meine Kinder Lobe ich gern, natürlich nicht übertrieben, da gebe ich dir Recht aber ein Lob baut auch auf. Um ein weiteres zu bekommen wird sich eben auch positiv angestrengt, was ja in aller Sinn ist. Übertreiben sollte man es dennoch nicht.
Loben sollte eben nicht manipulativ eingesetzt werden. „Toll, dass du dein Zimmer aufgeräumt hast“ – mit dem Hintergedanken, dass das Kind nun immer das Zimmer aufräumt. Ehrlichkeit ist wichtig, auf sein Herz zu hören, ist wichtig, aber einfach nur so das Kind zu loben, ohne es wirklich zu sehen (ich lob mal schnell das Bild, das es gemalt hat, aber richtig anschauen tu ich es nicht), ist meiner Meinung nach nicht der richtige Weg.
Loben ist wertschätzen. Loben ist empathich sein. Loben sollte keine verdrehte Botschaft und keine verdrehte Absicht haben, „Ich finde gut, wie du das gemacht hast!“ sollte bedeuten: ICH FINDE GUT, WIE DU DAS GEMACHT HAST, und nichts anderes. Ein gelobtes Kind lernt, genau das zu hören und zu verstehen umd anzunehmen. Wenn ein Kind spürt, dass es ehrlich wertgeschätzt wird, dann wird es nicht verstehen „ich mag dich aber nur, wenn du das immer so machst!“, sondern es versteht „Ich finde gut, wie du das gemacht hast!“ – Ich habe große Zweifel daran, dass loben süchtig macht, wie in dem… Read more »
Liebe Kiki, liebe Leute, ich muss da noch was hinzufügen: Loben kommt eigentlich von „lieb nennen“ bzw. „gutheißen“ (Althochdeutsch) und so gesehen ist loben eigentlich ein Schlüsselbegriff in der Erziehung: Wenn Ihr Eure Kleinen beobachtet, wenn sie etwas tun, was sie noch nie getan haben, wie z.B. auf einen umgefallenen Baumstamm klettern um dort zu balancieren oder sich einem großen Hund nähern, dann schauen sie immer auf Papa oder Mama oder wer gerade die Aufsicht hat. Sie wollen wissen, ob es „gut geheißen“ wird, was sie da tun – sie wollen wissen, ob gerade Grenzen überschritten werden oder ob Gefahr… Read more »
Liebe Andrea,
ich unterschreibe voll und ganz, was Du hier schreibst und beschreibst. Ich bin dir absolut dankbar für diesen wertschätzenden Kommentar.
Herzliche Grüße Judith
Danke für deinen Artikel, Kiki.
Ich selbst habe auch Alfie Kohn gelesen und stimme ihm zu. Im Alltag ist es aber wirklich nicht einfach, diese in der Gesellschaft festgesetzte Gewohnheit loszuwerden. Es ist für mich jedoch natürlicher geworden, meinen Kindern Aufmerksamkeit zu schenken, ohne gleich zu loben. Und ich verurteile mich auch nicht mehr, wenn es doch wie ein Lob klingt, denn da ist mir wichtiger, dass ich authentisch bin.
Ich werde mir deinen Tipp zu Herzen nehmen und mir einen Erwachsenen vorstellen. Mir würde es auch komisch vorkommen, wenn mich ständig jemand lobt.
Viele Grüße
Janina
Als Jugendliche war ich Polizeihundetrainerin und da gibt es in der Hundeausbildung so viel Lob wie Frolik in der Schachtel sind: Hunde sind süchtig nach Lob und Frolik – wir Menschen nach Lob und Süßigkeiten – alle haben dann dasselbe Gesicht drauf – Hund und Kind, wenn sie so andauernd gelobt werden (etwas überdreht und geistig eingeengt ;-)). In der Familie ist Lob nicht so wichtig wie Aufmerksamkeit, Liebe und Anteilnahme (Interesse). Für mich ist wichtiger, dass die Emotionen, die vom Erwachsenen kommen, authentisch sind, nicht reflektiert oder auf der Waagschale abgemessen. Man kann mit dauerndem Lob das Verhalten und… Read more »
Liebe Andrea,
vielen Dank für deinen Kommentar. Ja, eines was du geschrieben hast, finde ich sehr wichtig: authentisch sein! Denn wenn man als Eltern nun 5 mal hin oder her überlegt, ob man jetzt etwas sagen darf und welche Auswirkungen es haben könnte, dann ist man so im Kopf und lässt sein Herz nicht mehr sprechen.
LG, KIKI
Hallo zusammen!
In meiner Arbeit als Motopädin lobe ich auch kaum, sondern spiegele die Habdlungen der Kinder. Klettert ein Kind auf den Turm und ruft: „Guck mal!“, dann schau ich und antworte z. B : „Ja, du bist den Turm hochgeklettert, der ist richtig hoch!“Mir ist wichtig, dass die Kinder selbst ein Gefühl zu ihren Fähigkeiten bekommen, deshalb frage ich auch oft :“ Wie findest du es denn?“, oder “ bist du zufrieden damit?“ Oder “ ist dir das gelungen?“
Liebe Grüße,
Sandra
Mir ist beim Lesen bewusst geworden, wie oft ich selbst noch unbewusst lobe, und ja, ich kenne die diese Sucht nur all zu gut…bin ich doch auch so was von abhängig vom Lob anderer/der Bestätigung durch andere. ? Frage mich nur, wie ich mit einem Kind umgehe, dass förmlich nach Lob lechzt…(„Mama, hab ich das schön gemacht?“/“Wie findest du das?“)?? Eine Sucht lässt sich ja nicht einfach so wieder abstellen. Oder meint ihr, es funktioniert mit der Zeit über echte Wertschätzung und Anteilnahme, dass die Kinder ihre Sucht nach Lob wieder loslassen??? Aber wie reagiere ich bis dahin auf eine… Read more »
Liebe Claudia, wenn du es wirklich richtig toll findest, wenn dein Kind auf einem Bein stehen kann, dann würde ich mich mit dem Kind auch freuen. Sei authentisch. Sonst wird die Beziehung ja auch irgendwann emotionslos. Zum „Abgewöhnen“: wie bei jeder Sucht, wird es schwierig werden. Aber wenn man konsequent ist, dann klappt das auch. Du kannst das ja auch mit deinem 9-jährigen besprechen. Ich denke, die Wertschätzung wird dein Kind irgendwann lieben lernen. Probier es einfach aus! Mach doch mit deinem älteren Kind ein Spiel! Immer wenn du es lobst, dann macht ihr einen Strich auf einen Zettel –… Read more »
Ich liebe dieses Buch :)!! War schon vorher mit Lob immer sehr zurückhaltend und nach dem Lesen bin ich quasi theoretisch unterfüttert. Und fühle mich ganz befremdet, wenn meine Oma am Mittagstisch dem Kleinen (1,5) sagt: „Feeeiiin kannst du schon mit der Gabel essen! Guuut machst du das!“ Huch? Ja, das merkt er doch selbst? Bedingungslose Liebe statt Lob. Das ist so wichtig. Ich selbst wurde als Kind (zu) viel gelobt und merke das daran, dass ich die Einschätzung anderer immer suche und brauche und meine Eigenmotivation ganz schön verbuddelt ist. Also: Guuut macht ihr das! Weiter so! 😉 😉… Read more »
Ich bin Mutter von 3.Kinder (6,9 & 12.j) mein YouTube Kanal heißt: eu-freilernen-erlaubt. Als Deutsch- Schweizerfamilie sind wir wegen dem Schulzwang Ausgewandert. Juppii, wir sind seit gestern 7.7.2016 = 1.Jahr FREILERNER: Davon waren wir 9.Monate in Bayern und haben unterm Radar gelebt. Seit April sind wir auf Reise, zur Zeit auf Teneriffa! Loben ? Ich selbst bin da immer sehr frei gewesen, auf mich haben Tipps aus Büchern immer sehr Befremdet gewirkt. Ich habe in der ersten Schwangerschaft viele Bücher gelesen, beim 2.Kind noch eins und dann leider erst beim 3.Kind erkannt das alles was ich brauche bereits in mir… Read more »
Liebe Petra, danke für deinen tollen Kommentar!
Viel Spaß weiter in Teneriffa!
KIKI
danke auch, da würde mich mal interessieren wie man das am einfachsten und rechtlich sauber macht, sein Kind aus dem Schulpflicht-Streß rauszukriegen…
LG Tobias
Hallo Tobias,
schwieriges Thema – rechtlich sauber geht nicht so einfach, wenn überhaupt. Ich bin auch gespannt, wie wir das selbst lösen werden in einem Jahr.
Du kannst auf jeden Fall gespannt sein, auf unseren 2. Kinder-Gesundheitskongress. Hier wird es auch wieder in einem Interview über das Thema Freilernen gehen.
LG, KIKI
Liebe junge Eltern, ich freue mich so sehr, daß endlich geschieht, wonach ich mich solange sehnte – Kinder wie Blumen erblühen zu lassen. Ich selbst war 1979 nicht in der Lage dazu und glaubte, ohne einen gewissen Babykalender, den es nur unter dem Ladentisch gab, unser Kind „großzukriegen“. Es dauerte lange, bis ich spürte, daß ich eigentlich alles in mir trage – aber ich war selbst ein „Kriegskrüppel“ – ich übeübeübe, mich auf mein Authentischsein einzulassen. Und ich durfte so viele Erkenntnisse gewinnen, die es mir nun ermöglichen, ganz bei und mit Euch zu sein.