Unser Spielzeug-Experiment: warum weniger tatsächlich mehr ist…

Zu viel Spielzeug, zu viele Reize. Ein tägliches Chaos und allabendlicher Aufräumstress. Daher haben wir ein kleines Langzeit-Experiment gestartet – mit bislang sehr zufriedenstellendem Ausgang. Hier erfahrt Ihr, wie’s funktioniert und was sich geändert hat.

Schon seit Monaten kämpfte ich mit mir. Unsere Spielzeugsituation gefiel mir überhaupt nicht. Wir haben vergleichsweise wenig Spielzeug, aber dennoch war unser Wohnzimmer voll von Spielsachen (unser Wohnzimmer ist gleichzeitig das Kinderzimmer), es war täglich viel davon im Einsatz und schon nach kurzer Zeit sah es aus, als wäre ein Wirbelsturm durchs Zimmer gefegt. Gefühlt war ich den ganzen Tag nur am Aufräumen: Lego da hin, Duplo dorthin, Küchenutensilien zurück in die Kinderküche. Die Kinder spielten oft nicht wirklich mit den Spielsachen, sondern missbrauchten sie als Pakete, Essen oder ähnliches – was ja an sich toll ist. Aber: Sie beschäftigten sich nie lange damit: 20 Minuten Lego Duplo, dann 30 Minuten die Holzeisenbahn etc.. Gefühlt, weil es einfach zu viele Reize gab.

Ich war kurz davor, alles Spielzeug wegzuräumen. Doch dann hab ich von einem Spielzeugexperiment gelesen, das ich vom Ansatz her sehr interessant fand. Wir haben es ein wenig abgeändert und starteten kurz nach Weihnachten.

Die Spielregeln

Wir haben das Spielzeug in “Pakete” geschnürt: Duplo, Lego, Holzeisenbahn, Kinderküche, Murmelbahn etc. Die Kinder dürfen sich zeitgleich immer 2 Pakete zum Spielen aussuchen – immer jeder eines. Alle anderen Pakete kommen bei uns in ein anderes Zimmer, damit die Kinder sie nicht ständig sehen und nicht in Versuchung kommen. Bücher, Bastelzeug und die Verkleidungskiste sind immer da.
Jedes Kind darf sein Paket jederzeit gegen ein anderes tauschen.

Der Beginn

Eines Abends, kurz nach Weihnachten, haben wir zusammen mit den Kindern das Wohnzimmer von Spielsachen befreit. Zunächst dachte ich, wir stoßen auf großen Widerstand bei den Kindern. Vor allem wenn wir das Spielzeug wegräumen, das sie erst vor ein paar Tagen vom Weihnachtsmann geschenkt bekommen haben. Doch denkste, die Kinder haben begeistert mitgemacht. Die ersten beiden Pakete, die sie sich ausgesucht haben, waren die Holzeisenbahn und die Murmelbahn. Und eine spannende Zeit begann…

Die erste Woche

Ich habe es selten erlebt, dass sich unsere Kinder so intensiv mit den Spielsachen beschäftigen. Unser Großer, der noch nie Anstalten gemacht hat, die Murmelbahn selbst aufzubauen, baut plötzlich seine eigene Murmelbahnen. Unser Jüngerer baut mit den Holzklötzen der Murmelbahn Türmchen. Auch die Eisenbahn wurde intensiv bespielt. Nach ein paar Tagen begannen sie sogar die Murmeln mit den Eisenbahnschienen zu kombinieren und ließen die Murmeln über die Schienen kullern.

Irgendwann hat unser Großer einen Würfel in die Hände bekommen und kreierte sein eigenes Brettspiel auf unserem Fliesenboden. Als Männchen verwendete er die Brio-Männchen von der Eisenbahn und ein Spielfeld war eine Fliese. Die Spielregeln verstand nur er 😉

Nach 6 Tagen haben sie zum ersten Mal ihre Pakete tauschen wollen. Über die lange Zeit war ich überrascht, denn ich dachte, dass ich täglich mehrmals die Pakete hin und hertauschen muss 😉

Kurz: Das Spiel ist ausdauernder, intensiver und noch kreativer als zuvor. Und die Kinder scheinen mir achtsamer zu sein, innerlich ruhiger (in diesem Artikel kannst Du mehr über den Zusammenhang von Ordnung und Stress bzw. innerer Ruhe nachlesen).
Woran liegt’s? Vermutlich, weil vorher einfach zu viele Reize da waren. Jetzt kann man nicht bei der ersten Langeweile oder Schwierigkeit auf ein anderes Spielzeug ausweichen.

Die weiteren Wochen

Die Kinder tauschen alle 5- 7 Tage ihre Pakete. Und überraschenderweise, oder auch nicht?, sind eigentlich immer die selben Pakete im Wohnzimmer: Lego, Duplo, Eisenbahn, Tippi und Steckenpferde oder die Kinderküche.

Doch oft spielen sie doch nicht mit diesen Spielsachen, sondern sind damit beschäftigt mit Decken und Kissen und was sie sonst noch in die Finger bekommen Höhlen, Schiffe, Autos uvm. zu bauen. Und natürlich verkleiden sie sich immer wieder – gerade beim Artikelschreiben, knote ich Tim ein Piratentuch um den Kopf und um den Bauch ein Tuch, in der er die Messer aus der Kinderküche reinsteckt. Rollenspiel ist also total in 😉

Die Bücher

Unsere beiden sind absolute Bücherwürmer (ganz wie die Eltern ;-)). Unser Großer könnte den ganzen Tag vorgelesen bekommen. Es vergeht keine Woche, in der wir nicht in der Bücherei sind und uns einen großen Rucksack Bücher ausleihen. Deshalb war es für uns ganz klar, dass die Bücher immer in Reichweite sein müssen (also nicht als Paket zählen).

Das Basteln

Und was sich noch intensiviert hat, ist das Basteln, Malen, Schneiden, Aufkleben. Unser Großer hat von seiner Oma zum letzten Geburtstag ein Bastel-und Malbuch bekommen, das die ganze Zeit einfach nur rumlag. Doch eines Tages hat er sich dieses Buch geschnappt, sich im Tippi verkrochen und dort alles ausprobiert. (Kleiner Nebengedanke von mir: hat er es erst jetzt gemacht, weil er sich erst jetzt dafür interessiert, oder hat unser Spielzeugexperiment dazu verholfen, dass sich die Kinder nun länger mit den Dingen beschäftigen können, weil sie einfach nicht “überfordert” sind mit den vielen Spielzeugangeboten?)

Auch unser Jüngerer bastelt so viel, er schneidet, klebt auf, malt. Es vergeht kein Tag, an dem ich keine Papierschnipsel wegräume. Und apropos Wegräumen…

Das Aufräumen

Ich war vor dem Spielzeugexperiment so unzufrieden, weil ich das Gefühl hatte, nur noch aufzuräumen. Doch jetzt bin ich zufrieden. Es gibt nur noch wenig aufzuräumen, die Kinder können leichter mithelfen, weil das Aufräumen leichter ist. Es gibt ja nur 2 verschiedene Spielsachen-Pakete gleichzeitig 😉

Fazit

Ich bin froh, dass wir uns zu diesem Spielzeugexperiment entschlossen habe. Es tut den Kindern gut und auch uns. Wir sehen, mit welchen Spielzeugen sie wirklich gerne spielen. Es gibt Spielzeug, das sie während dieser 2 Monate überhaupt nicht wollten. Wenn sie diese weitere 3-4 Monate nicht fordern, werde ich sie wegtun. Sie sind unnötig. Die Kinder sind kreativer geworden, beschäftigen sich mit demselben Spielzeug intensiver. Aber ich merke auch, dass meine Kinder an sich noch weniger Spielzeug brauchen. Vielleicht wage ich doch noch den Schritt “Spielzeugfrei”? 😉

An dieser Stelle noch ein Interview-Tipp: Spielen ohne Zeug 😉

Wenn das Wetter bald wärmer wird, bin ich mir sicher, dass sie fast gar kein Spielzeug mehr brauchen. Dann gehen sie in den Garten, matschen auf ihrer “Baustelle”, schneiden Büsche, mähen Rasen – machen den Garten unsicher 🙂

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Wie macht ihr das mit dem Spielzeug?

Jetzt freue ich mich natürlich wieder auf Dich: wie viel Spielzeug habt ihr für eure Kinder? Gibt es bei euch eine Spielzeugregelung?
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Von Published On: 9. März 2016

About the Author: KIKI

Dr. Nicole Kikillus
KIKI ist die Kapitänin der Glücksknirpse. Bevor sie „in See stach“, war sie Dr.-Ingenieur für Elektrotechnik. Jetzt steht ihre Familie über allem - und die Glücksknirpse. Sie liebt den Geschmack der Freiheit - und hasst den von Ungerechtigkeit. Zusammen mit Christian hält sie das Projekt auf Kurs, spinnt ständig an neuen Ideen dafür - und setzt diese auch um, egal ob als Autorin, Interviewende, Kursleiterin, Eventmanagerin uvm. Wenn sie sich bei den Glücksknirpsen auf ein Thema festlegen müsste, wäre das wahrscheinlich das, was wir Glücksknirpse-Parenting nennen: eine bedingungslose, liebevolle und einfühlsame „Erziehung“ zu freien, entspannten, glücklichen & gesunden Menschen. Wenn Du KIKI ärgern möchtest, sage zu ihr einfach, dass Kinder Strafen brauchen - aber nimm Dich vor ihrer Reaktion in Acht 😉
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